rollstuhltischtennis.de

Homepage des DRS-Fachbereiches Tischtennis

Drei Wege, ein Ziel.

Sonntag 12. Mai 2013 von Tim Bunte

Frankreich versucht sich mit drei unterschiedlichen Modellen an einer WM-Medaille.

Einzel-WM in Paris (13. bis 20. Mai) 

Es tut sich viel im WM-Gastgeberland. Schüler und Jugendliche dominieren in Europa, allein der Sprung in den Erwachsenenbereich ist noch nicht erfolgreich vollzogen. Ideen gibt es viele, nicht alle sind erfolgreich. Das Projekt Levallois ist gescheitert, der beste Einzelspieler hat seinen Betreuerstab drastisch reduziert, und der neue Sportdirektor des Verbands kommt gar nicht aus dem Tischtennissport.

Paris. Nachdem sein Levallois Sporting Club Tennis de Table 2011 den 17. nationalen Meistertitel der Vereinsgeschichte gefeiert hatte, beschloss Jean-Philippe Gatien, es sei an der Zeit für eine gründliche Veränderung. Der Einzel-Weltmeister von 1993 ist „Monsieur Levallois“, offiziell Ehrenpräsident des französischen Spitzenklubs, aber faktisch der sportliche Drahtzieher hinter den Kulissen – und eigentlich auch davor. Er ist immer noch das prominente Zugpferd des Tischtennissports in Frankreich, verfügt über zahlreiche Kontakte in hohe Kreise von Sport, Kultur und Politik.

Gatiens Plan: „Wir investieren die Summe, die uns unser Auftritt in der Pro A kostet, in unsere besten Nationalspieler. Dann werden wir am Ende zwar nicht zum 18. Mal französischer Meister, aber vielleicht wird einer von den Jungs Europameister oder holt 2016 eine Olympia-Medaille, falls alles perfekt läuft.“ Die Praxis: Adrien Mattenet, Simon Gauzy, Emmanuel Lebesson und Quentin Robinot sollten dem manchmal als Bürde empfundenen Alltag des Liga-Spielbetriebs enthoben werden, sich komplett auf das Training untereinander und den Besuch internationaler Turniere konzentrieren können. Im Frühjahr 2012 fiel der Startschuss für das Projekt. Die vier Spieler wurden von Levallois unter Vertrag genommen, mussten in der heimischen Liga aber keine einzige Partie bestreiten. Finanziert wurden sie von Verein, Stadt und ihren privaten Sponsoren.

Modell Levallois: Nachteile überwiegen

Die Idee ist für Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf nicht neu: „Schon in den 1990er-Jahren hat Gatien mit Leuten wie Patrick Chila und den anderen Franzosen abgeschottet vom Rest der Welt trainiert, und das sehr erfolgreich“, erinnert sein damaliger Dauerrivale. „Gatien war aber ein Spieler, der unheimlich viel über den Willen und seine mentale Stärke gemacht hat. Für die technische Ausbildung war das Konzept ganz klar ein Nachteil.“ Ein Spieler müsse durch die Vielfalt seiner Trainingspartner und Trainer lernen. Roßkopf behagt eher der Ansatz der Portugiesen, die ihre talentierten Spieler schon in jungen Jahren ins Ausland schicken, um dort zu lernen. Das sei nicht leicht für junge Athleten, zahle sich aber aus. Die drei aktuellen Beispiele sind Marcos Freitas, Tiago Apolonia und Joao Monteiro als Nummern 23, 44 und 62 der Weltrangliste.

Auch für Timo Boll überwiegen die Nachteile des rein französischen Modells. „Gerade junge Spieler benötigen viel Spielpraxis und die regelmäßige Überprüfung ihrer Leistung“, sagt er. „Sie sind nicht gut genug, um bei World-Tour-Turnieren immer weit genug zu kommen und spielen dann manchmal nur die Quali. Die französische Liga ist sehr stark und hätte für sie genügend gute Gegner zu bieten, um sich weiterzuentwickeln.“

Gauzy: „Sie haben uns behandelt, als wären wir Nullen“

Die Praxis der Utopie Levallois hatte sich schnell erledigt. Dem Bürgermeister von Levallois-Perret, Patrick Balkany, einem Parteifreund von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, ging es mit den Erfolgen nicht schnell genug. Ende des vergangenen Jahres zog er als einer der Hauptgeldgeber des Vereins den Zuschuss der Gemeinde im Nordwesten von Paris, rund sieben Kilometer vom Zentrum der Hauptstadt entfernt, zurück. „Ich bin doch kein Reisebüro für Tischtennisspieler, die irgendwo durch die Welt tingeln“, wird er zitiert. Ob die finanzielle Zusage zum Modell zu Beginn des Jahres 2012 allein politisch motiviert war oder nicht alle Seiten das Vorhaben und alle Konsequenzen daraus richtig verstanden hatten, ist für Außenstehende wohl nicht zu klären.

Die vier betroffenen Nationalspieler und ihr Trainer, Ex-Nationalspieler Patrick Chila, jedenfalls hatten unterschiedliche Verträge abgeschlossen. Jeder von ihnen muss seinen Ausstieg individuell regeln. Einige haben sich geeinigt, andere werden vermutlich nach den Weltmeisterschaften vors Arbeitsgericht ziehen. „Sie haben uns behandelt, als wären wir Nullen, die niemals irgendetwas gewinnen könnten“, sagt der 18-jährige Simon Gauzy, der zu den größten Hoffnungen seines Landes im Tischtennis zählt und beim letzten Leistungstest vor der WM nationaler Einzel-Meister geworden ist. Seine Kritik zielt nicht auf den Verein Levallois, aufgebracht ist er wegen des Verhaltens der Stadt und der verantwortlichen Kommunalpolitiker. Jetzt gilt die volle Konzentration aber erst einmal der Heim-WM.

Nicht wenige Franzosen außerhalb von Levallois haben das Scheitern des Gatien-Modells mit Häme beobachtet. „Sie kaufen unsere Nationalmannschaft“, hatte es zu Beginn geheißen. Das Ende des Projekts sehen sie als Bestätigung ihrer kritisch-ablehnenden Haltung.

Frankreichs Nummer eins hat sein „Team Mattenet“ reduziert

Auch ein anderes Projekt ist inzwischen eingestellt. Adrien Mattenet hatte ein vierköpfiges Kompetenz-Team um sich geschart. Der 25-Jährige ist als aktuelle Nummer 27 der Weltrangliste seit langem der beste Franzose, auch wenn er noch nie nationaler Einzel-Meister war. Bei der WM in Rotterdam vor zwei Jahren erreichte er das Achtelfinale. Das ließ ihn für die Olympischen Spiele in London ein Jahr später hoffen. Zusammen mit Sponsoren finanzierte er einen persönlichen Tischtennis-Coach, einen Mentaltrainer, einen Physiotherapeuten und Fitnessfachmann sowie einen Marketingmann. Sein Stab wich ihm kaum von der Seite. Beim Olympia-Vorbereitungslehrgang in Rotenburg im vergangenen Sommer gab es einen eigenen Mattenet-Tisch im Speisesaal des Hotels. Kein anderer Spieler hatte so viele persönliche Betreuer mitgebracht. In London kam das Erwachen. In seinem ersten Einzel war gegen den Österreicher Chen Weixing in vier Sätzen Schluss.

Bis heute behalten hat Mattenet nur den ehemaligen Nationalspieler Cédric Cabestany als Tischtennistrainer. „Auch aus Fehlern lernt man“, sagt Mattenet. „Dieser Fehler war allerdings ein bisschen teurer.“

Dritter französischer Weg: Ein Ruderer für die Verbandsstrukturen im Tischtennis

Bereits vor der WM begonnen hat ein dritter französischer Weg. Der Präsident, Christian Palierne, ist seit Dezember 2011 im Amt. Der Mediziner war zuvor unter anderem Mannschaftsarzt der französischen Ruderer und in dieser Funktion auch bei Olympischen Spielen im Einsatz. Als Nachfolger des langjährigen Technischen Direktors im nationalen Tischtennis-Verband, Michel Gadal, hat er einen Ruder-Experten installiert, Pascal Berrest, der zuvor ohne Erfahrung im Tischtennissport war.

„Ein Sportdirektor eines anderen erfolgreichen Verbandes kann für neue Impulse sorgen“, sagt DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig. „Diese Impulse können aber nur in einem Team mit guten Tischtennis-Experten umgesetzt werden. Es wird interessant zu sehen, wie dies funktioniert.“ Leistungsstarke Franzosen wären wichtig für ein zukünftig leistungsstärkeres Europa, gibt Dirk Schimmelpfennig zu bedenken. Im Schüler- und Jugendbereich dominieren die Franzosen inzwischen den Alten Kontinent, allein im Herren-Bereich lassen die Fortschritte auf sich warten. Im Gespräch als Verbands-Experten in ihrer Sportart zur Unterstützung Berrests sind Patrick Chila und seine früheren Nationalteamkollegen Damien Eloi und Christophe Legout.

Jean-Philippe Gatien konzentriert sich nach dem Ende des Levallois-Projekts erst einmal auf seine Aufgaben als Repräsentant einer französischen Tischtennisfirma. Er ist ein enger Vertrauter Gadals, der die Wege seines Verbands kritisch beobachtet und in seinem vorzeitigen Ruhestand lieber Brasilien für die Olympischen Tischtenniswettbewerbe 2016 berät. Gatien brennt weiterhin für seinen Sport. Für die Heim-WM ziehen noch einmal alle an einem Strang. Und der Rest Europas beobachtet gespannt, was aus diesem neuen französischen Weg wird.

 

Mengel in der Einzel-Qualifikation: Keine Angst vor den kleinen Unbekannten

Seine ersten beiden Gegner kommen aus Tischtennis-Zwergnationen, trotzdem wäre es Steffen Mengel lieber, wenn er wüsste, was und vor allem wer auf ihn zukommt zu Beginn der WM in Paris. Trotzdem: Sorgen macht sich der Deutsche Meister und hohe Favorit nicht vor seinem ersten Aufschlag im Palais Omnisports am Montag um 15:45 Uhr.

Paris. Steffen Mengel hat bei den Länderkürzeln seiner Gegner in der Qualifikationsgruppe 6 bei der am Montag beginnenden Einzel-WM in Paris erst einmal nachgefragt, um sicherzugehen, dass die Zuordnung stimmt. „SEY“ steht für die Inselgruppe der Seychellen im Indischen Ozean, „LBR“ für das westafrikanische Liberia. Kontrahenten aus diesen Staaten sind in der ITTF-Familie, die aktuell aus 217 Nationalverbänden besteht, auch für deutsche Vielspieler kein Standard.

Nicholas Esther von den Seychellen und der Liberianer Wasin Awobajo heißen die ersten beiden Vorrundengegner des amtierenden Deutschen Einzel-Meisters. Bekannt sind sie weder ihm noch Bundestrainer Jörg Roßkopf, werden auch nicht in der Weltrangliste geführt. „Mir ist es eigentlich lieber, wenn ich meine Gegner kenne“, sagt Mengel, „jetzt weiß ich nicht, was auf mich zukommt.“

Gute sportliche Bedingungen im Palais Omnisports

Einspielpartner Patrick Franziska scherzte schon: „Wahrscheinlich ist’s ein gebürtiger Chinese, der es sich auf den Seychellen gutgehen lässt und dir alle Dinger reinblockt.“ Allzu große Sorgen muss sich Mengel nicht machen. Der Frickenhausener ist fit, gut vorbereitet und hoch motiviert vor seinem WM-Debüt, das er aufgrund von Verletzungen in der Vergangenheit nun erst im Alter von 24 Jahren gibt.

Die Bedingungen im Palais Omnisports, vor allem in der Centrecourt-Halle; stimmen für ihn und Franziska. „Das Licht ist gut, die Bälle springen auf den Tischen, etwas höher ab, aber sehr regelmäßig“, beschreibt Patrick Franziska. Sichtlich beeindruckt ist er von der Größe der Haupthalle. „Sie ist riesig. Wenn die voll ist, dann gute Nacht“, sagt er etwas ehrfürchtig, auch für ihn ist es die erste WM. Die steilen Ränge können für Hexenkessel-Atmosphäre sorgen. Fast 40.000 Tickets für alle acht Turniertage haben die französischen Organisatoren bisher verkauft. Michel Gadal, der verantwortliche Mann für die WM-Organisation und langjährige Technische Direktor des Verbands FFTT, hofft am Ende auf rund 50.000 Zuschauer. Rund 14.000 Fans passen pro hinein. Der Samstag und Sonntag seien so gut wie ausverkauft, am Montag mit Damen-Doppel- und Herren-Einzel-Finale dürfe es noch etwas mehr sein.

Quelle: DTTB/Simone Hinz

 

Herren-Einzel, Qualifikation

Gruppe 6 (von 113), Montag
12:45 Uhr: Nicholas Esther SEY – Wasiu Awobajo LBR, Tisch 6
15:45 Uhr: Steffen Mengel – Awobajo, Tisch 11
18:45 Uhr: Mengel – Esther, Tisch 6

K.-o.-Runden am Dienstag
1. ab 10 Uhr
2. ab 17:30 Uhr

Ggf. reicht Mengel mit seiner hohen Setzung ein Sieg in der K.-o.-Runde aus. Aus den 113 Qualifikationsgruppen im Herren-Einzel werden 32 Qualifikanten fürs Hauptfeld gesucht. Zusammen mit ihnen werden die 32 Nächstbesten hinter den Top-64-Gesetzten in die 1. Hauptrunde gelost, wo die übrigen fünf Deutschen warten.

Zu den kompletten Auslosungen auf der ITTF-Website (rechte Spalte): http://www.ittf.com/competitions/competitions2.asp?Competition_ID=2190&category=WTTC

 

Die nächsten Termine

9. – 12. Mai
Deutsche Pokal-Meisterschaften für Verbandsklassen in Dinklage

13. – 20. Mai
Individual-Weltmeisterschaften in Paris
Informationen auf der ITTF-Website: http://www.ittf.com/competitions/competitions2.asp?Competition_ID=2190&category=WTTC

WM-Termine

·         Annual General Meeting (AGM) mit Wahlen: 15. Mai von 9 bis ca. 18 Uhr im Raum SEINE des Hotels Marriott Paris Rive Gauche

·         Sitzung des Board of Directors (BoD): 17. Mai von 9 bis 16 im Raum MILES DAVIS des Hotels Marriott Rive Gauche

18. – 20. Mai
Deutsche Einzel-Meisterschaften der Senioren in Bielefeld

27. Mai – 1. Juni
Senioren-Europameisterschaften in Bremen

 

Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 12. Mai 2013 um 23:20 und abgelegt unter News, Presse.

Kommentare sind geschlossen.