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Drei WM-Titel und ein überraschendes Debüt

Montag 14. November 2022 von Ernst Weinmann

Mit acht Medaillen kehrt die deutsche Para Tischtennis-Nationalmannschaft von den Weltmeisterschaften im spanischen Granada zurück. Valentin Baus und Thomas Schmidberger gewinnen Gold im Einzel. Sandra Mikolaschek und Thomas Brüchle feiern den WM-Titel im Mixed. Als herausragend will Bundestrainer Volker Ziegler die Bilanz aber nicht bezeichnen.

In Abwesenheit von Russland und China fanden die Weltmeisterschaften in der Granada City Sports Hall statt. Wie hoch das Niveau in den einzelnen Wettkampfklassen dennoch war, stellte die internationale Konkurrenz aus 51 Nationen deutlich unter Beweis. Einige der 13 nominierten deutschen Spieler*innen dominieren längst die Weltspitze, insbesondere die vielen Nachwuchsspieler*innen haben dorthin noch einen Weg zu gehen. Begonnen hatte der Saisonhöhepunkt in Spanien vielversprechend. In den Doppel- und Mixed-Wettbewerben sammelte das deutsche Team einen kompletten Medaillensatz ein. Sandra Mikolaschek und Thomas Brüchle erkämpften sich Gold im Mixed. Stephanie Grebe und Juliane Wolf wurden Vize-Weltmeisterinnen. Valentin Baus und Tom Schmidberger holten bei ihrem ersten gemeinsamen WM-Auftritt im Doppel Bronze. Anschließend begann dann die Medaillenjagd in den Einzeln.

Den Final-Freitag wird das deutsche Team so schnell nicht vergessen. Mit Willenskraft und taktischer Cleverness setzte Valentin Baus sich in seinem Endspiel der Klasse 5 durch. Vor gut gefüllter Tribüne traf er auf den Titelverteidiger Ali Oztürk (Türkei). Baus, der zu diesem Zeitpunkt an einem Infekt laborierte, musste alle Kräfte in das Spiel hineinlegen. Die 1:0-Satzführung konnte der Türke zwar noch einmal ausgleichen. Doch Baus ließ nicht nach. Er blieb offensiv aktiv und zwang dem Gegner sein Spiel auf. Mit dem hart erkämpften 3:1-Sieg (11:8, 7:11, 11:5, 11:7) sicherte er sich den nächsten WM-Titel nach 2014. Nun ist der 26-Jährige amtierender Europameister, Paralympicssieger, Weltmeister sowie Weltranglistenerster, zudem seit 2019 ungeschlagen – und hat damit seinen „Grand Slam“ im Tischtennis erreicht.

Kurz darauf bekam die Erfolgsgeschichte des deutschen Teams ein weiteres Kapitel: Minuten nach seinem guten Freund und Teamkameraden Valentin Baus kürte auch Tom Schmidberger sich zum Weltmeister. Schmidberger besiegte in der WK 3 den US-Amerikaner und Weltranglistenvierten, Jenson van Emburgh. Er setzte sich mit 3:1 (11:3, 11:5, 8:11, 11:9) durch. Nach Silber bei der WM 2018 konnte der 31-jährige Niederbayer sich endlich auch bei einer Weltmeisterschaft für die harte Trainingsarbeit mit der Goldmedaille belohnen – im Oktober diesen Jahres bereits setzte er sich an Position eins der Weltrangliste. Der Weg ins Endspiel führte über ein deutsches Duell: Im Halbfinale hieß es Schmidberger gegen Thomas Brüchle – ausgerechnet die Partner, die bei den Paralympics in Tokio Silber im Team-Wettbewerb gewannen. Brüchle unterlag 0:3, er sicherte sich damit aber verdient Bronze.

Mikolaschek als faire Sportsfrau

Vize-Weltmeisterin wurde die dritte Düsseldorferin im Aufgebot der deutschen Mannschaft: Sandra Mikolaschek traf im Finale der Klasse 4 auf die Weltranglistendritte Wijittra Jaion. Gegen die starke Thailänderin geriet Mikolaschek mit 0:2 in Sätzen in Rückstand. Beherzt kämpfte sie sich noch einmal ins Spiel und kam zum Satzausgleich. Ein wenig Nerven zeigte die deutsche Weltranglistenzweite am Ende doch. Jaion konnte Matchbälle abwehren und drehte die Partie in der Verlängerung des entscheidenden Satzes zu ihren Gunsten. Nach dem spannungsgeladenen 2:3 (9:11, 9:11, 13:11, 11:8, 10:12) bewies Mikolaschek, dass sie eine faire Sportsfrau ist, gratulierte ihrer Gegnerin und fand wertschätzende Worte. Die Leistung seiner Spieler*innen imponierte Bundestrainer Volker Ziegler: „Ich ziehe den Hut vor dem Einsatz und Willen, den die Spielerinnen und Spieler hier an den Tag gelegt haben.“

WM-Debütantin Jana Spegel aus Stuttgart setzte überraschend ein Ausrufezeichen. Als einzige Deutsche hatte sie zunächst eine Gruppenphase zu überstehen. Dies gelang ihr und sicherte den Einzug ins Halbfinale. Hier nahm die 19-Jährige der Weltranglistenersten aus Polen, Dorota Buclaw, immerhin einen Satz ab. Letztlich unterlag Spegel mit 1:3 (13:11, 2:11, 10:12, 6:11), nimmt aber die Bronzemedaille mit nach Hause.

Fehlendes Losglück wog besonders schwer, weil dort erstmals eine Para Tischtennis-WM – mit wenigen Ausnahmen – direkt im K.o.-System startete. Zu spüren bekam das etwa Steher Thomas Rau (WK 6). Gleich im Achtelfinale traf er auf keinen Geringeren als den Paralympicssieger von Tokio, Ian Seidenfeld (USA). Rau unterlag auch deshalb recht deutlich (0:3), weil er gesundheitlich angeschlagen spielen musste. Auch Raus Zimmerkollege und Doppel-Partner Björn Schnake (WK 7) schied im Achtelfinale aus. Schnake lieferte sich ein spannendes Fünfsatz-Match mit dem Franzosen Stephane Messi. Trotz starker Leistung mit vielen Offensivaktionen reichte es für den 50-jährigen Hildesheimer nicht zum Sieg. Im gemeinsamen Doppel schieden sie im Viertelfinale aus.

Für die Steherinnen lief die WM im Einzel ebenfalls nicht wie erhofft. Stephanie Grebe (WK 6) überstand das Achtelfinale, musste sich jedoch im Viertelfinale gegen die starke Polin Marszal im entscheidenden fünften Satz mit 6:11 geschlagen geben. Lena Kramm (WK 9), Marlene Reeg (WK 10) und Juliane Wolf (WK 10) schieden bereits im Achtelfinale aus. Im Mixed reichte es für Wolf/Rau und Reeg/Schnake für das Viertelfinale.

Ziegler: „Wir zählen nicht  nur die Medaillen“

Ihre WM-Debüts gaben zudem die 19-jährige Tiziana Oliv (WK 7) und der 15-jährige Mio Lukas Wagner (WK 10). Oliv behielt im Achtelfinale gegen die Spanierin González einen kühlen Kopf (3:2) und erreichte das Viertelfinale. Doch die Niederlage gegen die Südkoreanerin Kim (1:3) bedeutete das WM-Aus für die Nachwuchsspielerin. Die Erwartungen, die Mio Wagner an die WM und sich selbst geknüpft hatte, erfüllten sich nicht. Mit Stephanie Grebe schied er im Mixed-Achtelfinale chancenlos aus. Im Einzel ließ der übermächtige Gegner, Paralympics-Silbermedaillengewinner Mateo Boheas aus Frankreich, dem Youngster keine Chance (0:3). Positiv gestimmt sein kann das Team dennoch.

„Wir zählen nicht nur die Titel und Medaillen. Für uns sind auch kleine und große Schritte in der Leistungsentwicklung entscheidend. Durch internationale Vergleiche auf höchstem Niveau können wir die Spielerinnen und Spieler gezielt weiterentwickeln“, sagt Bundestrainer Ziegler. „Wir haben eine sehr gute Weltmeisterschaft gespielt, bei der es neben einzelnen Enttäuschungen viele positive Überraschungen gab. Für eine herausragende WM haben uns allerdings weitere Medaillen in den Wettbewerben der Stehenden gefehlt. Hier müssen wir feststellen, dass die Professionalisierung in vielen Nationen sehr weit vorangeschritten ist und wir unserem Nachwuchs diese Realität von Beginn an vermitteln müssen.“

 

Die WM-Medaillengewinner*innen:

Gold: Valentin Baus; Thomas Schmidberger; Sandra Mikolaschek & Thomas Brüchle (Mixed)
Silber: Sandra Mikolaschek; Stephanie Grebe & Juliane Wolf (Doppel)
Bronze: Jana Spegel; Thomas Brüchle; Valentin Baus & Thomas Schmidberger (Doppel)

Text: Jessica Balleer
Foto: Hannes Doesseler

Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 14. November 2022 um 15:03 und abgelegt unter International, News, Presse, Weltmeisterschaften.

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